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Equilibrium

Dein Single hat zwar inzwischen sein körperliches Gleichgewicht wieder gefunden, sein seelisches ist jedoch arg aus dem Lot: Erst verkracht er sich mit seinem WG-Mitbewohner und dann auch noch mit einem Mitglied der Familie Kappe (=> bei beiden, bis das rote Feindschaftszeichen in der Beziehungsleiste erscheint. Zum Beweis bitte einen Screenshot). Erst der vermittelnde/heilsame Einfluss eines guten Freundes des Singles kann zumindest die Beziehung zum WG-Mitbewohner kitten, der Bruch zu Mitglied Familie Kappe bleibt jedoch bestehen.


Die Sonne musste schon vor einigen Stunden aufgegangen sein, denn in meinem Schlafzimmer war es heiß wie in einem Backofen. Für eine Klimaanlage hat das Geld immer noch nicht gereicht. Verschlafen tapste ich in die Küche und konnte noch im Halbschlaf Roland ausmachen, der bereits am Esstisch saß. Es ist doch nicht normal, dass ein Mensch freiwillig so früh morgens aufsteht. Aber ich brauchte jetzt eine Erfrischung. Der kühle Hauch aus dem Kühlschrank tat schon gut und ein kalter Saft würde mir noch besser tun.


Ich griff nach der Flasche und drehte mich langsam um. Was war denn dieser verschwommene Schatten direkt neben Roland. Und als meine Augen langsam ihre Funktion wieder aufnahmen und ein scharfes Bild zeigten, erkannte ich Tristen. "Arrrgghhh!", schrie ich entsetzt und begann mit meinen Händen zu fuchteln. Der Saft rollte irgendwo in die Ecke. Entsetzt sprang Tristan auf schaute mich an, wie ein Reh im Scheinwerferlicht.


Doch eine Erklärung musste warten. Ich ließ die beiden Jungs allein und lief mit hochrotem Kopf aus der Küche. Wieso passiert mir immer so etwas Peinliches? Wieso muss ausgerechnet an dem Morgen, an dem ich ungekämmt und ungewaschen und zudem noch in knapper Unterwäsche die Küche betrete, ein fremder Mann am Tisch sitzen?


Ich holte meine Sachen aus dem Zimmer, schlich vorsichtig um die Ecke, um sicher zu gehen, dass Tristan mich nicht doch aus der Küche heraus sehen konnte, und verschwand im Badezimmer. Nach einer ausgiebigen Dusche und einiger Zeit vor dem Spiegel, war ich so weit, dass ich mich unter fremde Menschen wagen konnte. Allerdings wollte ich das Bad nur ungern verlassen, schließlich war Tristan immer noch im Haus und mein Auftritt von eben war einfach zu peinlich.


Vorsichtig öffnete ich die Tür einen Spalt weit und lugte hinaus. Auch das noch! Roland und Tristan saßen beide auf dem Sofa und schauten fern und für mich gab es keinen Weg an den beiden vorbei. Als lief ich einfach hastig in Richtung Haustür. Ich versuchte mich so gut es ging, hinter meiner Hand zu verstecken, was mir ein breites Grinsen von Roland einbrachte. Wenigstens schaute Tristan nicht in meine Richtung.



Da stand ich nun, allein vor meinem Haus. Rein konnte ich jetzt auf keinen Fall mehr, also schlenderte ich in Richtung Stadtzentrum. Allerdings war um diese Uhrzeit noch nicht viel los hier. Als ich mich gelangweilt im Saloon umsah, entdeckte ich eine Tafel mit Billardtricks und da ich ohnehin nichts Besseres zu tun hatte und zudem auch noch ohne Zuschauer war, schnappte ich mir das beiliegende Xylophon und versuchte eine Kugel darauf landen zu lassen. Nach dem fünften Versuch hob wenigstens die Kugel vom Tisch ab und beim vierzehnten erklang das Xylophon zu ersten Mal.


"Gut gemacht", erklang eine tiefe Männerstimme aus einer dunklen Ecke des Raums. Überrascht sah ich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und entdeckte Gerdas Mann Albert. Bis zu diesem Moment wusste ich nicht, dass er auch hier war. Und zum zweiten Mal an diesem Morgen lief ich rot an.


"Oxana, nicht wahr?", fragte er mich lächelnd. "Hast du etwas dagegen, wenn ich mitspiele?". Ich schüttelte mit dem Kopf und Albert trat zu mir an den Tisch. "Dann lass uns doch eine richtige Partie gegeneinander spielen. Welche Kugeln?". "Die Halben", antwortete ich und Albert bereitete den Tisch vor. Und gleich mit dem ersten Stoß versenkte er zwei Kugeln.


Wir spielten so lange, bis mein Magen sich zu Wort meldete. Immerhin hatte ich an diesem Tag noch nichts gegessen und es kam mir sehr gelegen, dass Albert mich zu einem Mandarinentörtchen einlud. Wir unterhielten uns lange über das Leben als Farmer in der Sierra Simlone. Ein hartes Leben, aber auch ein sehr aufregendes, wie ich fand.



Es war noch spät geworden, am gestrigen Abend. Als ich nach Hause kam, war Roland schon im Bett und wecken wollte ich ihn auch nicht. Am Morgen empfing er mich dann auch schon grinsend und wartete auf eine Erklärung. "Ich hätte im Boden versinken können", begann ich zu erzählen. "Erst sieht Tristan mich halb nackt und dann laufe ich auch noch weg, wie ein kleines dreizehnjähriges Mädchen." Ich musste selber darüber lachen, wie blöd ich mich doch benommen hatte.


Und Roland erging es nicht anders. "Tristan ging es da so wie dir", berichtete er lachend. "Erst war er kreidebleich wegen deines Geschreis und dann ist er so rot angelaufen, dass ich dachte, sein Kopf platzt gleich. Jedes mal, wenn eine leicht bekleidete Frau im Fernsehen zu sehen war, hat er beschämt auf den Boden gestarrt. Das war zu witzig. Aber das nächste mal warne ich dich vor, wenn jemand zum Frühstück hier ist."



Gerade als ich das Auto der Fahrgemeinschaft verließ, klingelte mein Handy. "Hi Oxana", meldete sich Benny. "Ich würde heute Abend gerne etwas mit dir unternehmen. Allein. Hast du Lust?". Natürlich hatte ich Lust ihn zu sehen. Seine Stimme klang auf einmal so erleichtert. "Dann hole ich dich so gegen acht Uhr ab. Bis später dann."


Hatte ich etwa gerade ein Date ausgemacht? Ich glaube schon. Ich hatte noch etwas Zeit um mich aufzustylen. An meiner Figur gab es jetzt nichts mehr zu meckern und das neue Kleid war auch angemessen für dieses Treffen. Trotzdem stand ich sehr aufgeregt vor dem Spiegel und war doch nicht wirklich zufrieden. "Hast du heute Abend noch etwas vor?", fragte mich Roland, der mein Zimmer betreten hatte. Ich erzählte ihm von meiner Verabredung, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ihn diese Nachricht traurig stimmte. Wahrscheinlich war er bekümmert, weil es zwischen ihm und Brandi nicht so richtig lief. Ich glaube, ich musste in dieser Hinsicht unbedingt mal etwas unternehmen.


Wie versprochen holte Benny mich ab und gemeinsam schlenderten wir zum Nachtclub im Stadtzentrum. Nicht nur ich hatte mich chic gemacht, auch Benny hatte sein Outfit verändert. Er sah wirklich gut aus, in diesen Shorts und dem hellen Pullover.


Im Club war nicht viel los, aber was erwartet man auch mitten in der Woche? Dafür gehörte die Tanzfläche ganz alleine uns.


Und im Gegensatz zu unserem letzten Besuch hier im Club fand Benny den Mut, mich nah an sich heran zu ziehen, wann immer die Musik es erlaubte. Ich konnte gar nicht genug davon kriegen in seine wunderschönen blauen Augen zu blicken.


"Lass uns nach oben zur Bar gehen", schlug er vor und führte mich von der Tanzfläche herunter in Richtung der Treppe. Er bestellte auf Anhieb meinen Lieblingscocktail, aber er kannte mich schließlich.


Und dann berührte er ganz vorsichtig meine Hand, die auf dem Tresen lag. Und als er ganz sicher war, dass ich sie nicht wegziehen würde, begann er sie sanft zu streicheln und lächelt mich mit seinem wundervollen Lächeln an. Und ich lächelte zurück. "Ich bin gleich wieder zurück", versprach er mir, als er einen Moment später aufstand, und ich hoffte inständig, dass er schnell wieder zurückkehrte.

 

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kor. 14.10.07