|
Er stellte sich einfach vor mich und breitete seine Arme aus und
ein breites Lachen zeichnete sich auf seinem Schnäuzchen
ab. Und ich konnte nicht anders, als ihm überglücklich
zu umarmen. "Ach, Schmuselhäschen, warum bist du denn
nicht schon früher aufgetaucht?" Als Antwort drückte
er mich nur noch fester an sich und im Gegenzug kuschelte ich
mich noch enger an sein weiches Plüschfell.
|
|
Und dann hockten wir uns zusammen hin und ich erzählte ihm,
was alles passiert war. Von dem gemeinen Kasimir, dem doofen Roland
und von den ganzen anderen fiesen Leuten in der Stadt und Schmuselhäschen
stimmte mit mir voll und ganz überein, dass das alles ganz
blöde Leute waren.
|
|
Und dann fingen wir an uns alte Geschichten zu erzählen.
Wie Joanna und ich damals eine Band gegründet hatten und
Schmuselhäschen unser Bassist war. Er konnte sich noch genau
erinnern und stimmte sogar unsere alten Songs an. Oder als wir
ihn auf den Rücken unseres Hundes Fifi gebunden haben damit
er durch den Garten reiten konnte. Das war vielleicht ein Abenteuer
gewesen. Ich schmückte meine Erzählungen mit zahlreichen
Gesten aus und hüpfte freudig durchs Wohnzimmer. Der doofe
Roland kam dann auch kurz ins Zimmer und zeigte mir einen Vogel.
Aber das war mir so was von egal. Schließlich war ja Schmuselhäschen
bei mir.
|
|
Und dann probierten wir unsere alten Tänze aus. Schmuselhäschen
konnte noch alle Schritte mitmachen, aber schließlich hatten
wir das auch oft genug geübt. Und auch meine neuen Tänze
lernte er in Windeseile. Den Schlambada hatte er nach wenigen
Minuten drauf und bei der Salsa ließ nicht nur ich kräftig
meine Hüften wackeln. Schmuselhäschen, wie hatte ich
es all die Jahre bloß ohne dich ausgehalten?
|
|
Ich verschwand nur für einen ganz kurzen Augenblick, um meine
Frisur wieder in Ordnung zu bringen. Für Schmuselhäschen
wollte ich doch besonders hübsch aussehen. Doch gerade als
ich mich wegdrehte, wackelte er mit seinem Schnäuzchen, schüttelte
sein Stummelschwänzchen und hopste in die Luft. Und als ich
mich wieder umdrehte, war Schmuselhäschen verschwunden und
nur noch seine Pfotenabdrücke auf dem Teppich deuteten darauf
hin, dass er hier gewesen war.
|
|
Plötzlich wurde ich ganz schrecklich müde. Ich musste
laut gähnen und meine Augen wurden so schwer, dass ich sie
kaum offen halten konnte. Also tapste ich in mein Schlafzimmer
und kuschelte mich unter meine Bettdecke. Und zum ersten Mal seit
langer Zeit konnte ich ruhig und tief schlafen. Und in meinem
Traum jagte ich mit Schmuselhäschen, Joanna und Fifi über
die grünen Wiesen von SimCity.
|
|
|
Am Morgen wurde ich durch ein leises Klopfen an meiner Zimmertür
geweckt. "Herein", murmelte ich verschlafen und richtete
mich langsam auf. Es war Roland, der den Raum mit einem Teller
voller Marmeladenbrote und einem heißen Cappuccino betrat
und auf mein Bett zukam. "Guten Morgen", begrüßte
er mich freundlich und stellte das Frühstück auf meinem
Nachttisch ab. "Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte
er dann besorgt. "Ich weiß, dass ich mich in letzter
Zeit von dir distanziert habe, aber mir ist trotzdem aufgefallen,
dass du irgendwie betrübt warst. Und die letzten Tage bist
du nicht einmal mehr zur Arbeit gegangen und hast das Haus auch
sonst nicht verlassen. Und dein Verhalten gestern hat mir fast
schon Angst gemacht, als du stundenlang mit dir selbst geredet
und gelacht hast. Geht es dir gut Oxana?"
|
|
Ich begann leicht meinen Kopf zu schütteln und hatte plötzlich
Mühe, meine Tränen zurückzuhalten. "Nein,
mir geht es nicht gut", gestand ich in weinerlichem Ton.
Ich deutete mit meiner Hand auf den leeren Platz neben mir und
Roland legte sich zu mir aufs Bett. Ich erzählte ihm von
den Gerüchten, die Kasimir über mich in die Welt gesetzt
hatte, und wie sehr mich die Situation belastete. "Ich habe
versucht dich vor ihm zu warnen", sagte er schließlich.
"Aber wahrscheinlich habe ich dabei zu sehr an mich selbst
gedacht, als dass diese Warnung bei dir ankommen konnte. Es tut
mir leid."
|
|
Plötzlich spürte ich, wie sich wieder diese Distanz
zwischen uns aufzubauen drohte, und damit wären wir nicht
weiter, als bei unserer letzten Entschuldigung. Doch dann legte
Roland überraschend seine Hand auf meine Schulter. "Sind
wir wieder Freunde? Und zwar so richtig, wie früher?",
fragte er mich und lächelte dabei vorsichtig. Mein breites
Grinsen war Antwort genug und Roland zog mich zu sich heran. "Und
wenn diesmal Problem auftauchen", fügte ich hinzu, "dann
reden wir früher darüber". "Versprochen!"
|
|
|
Wenigstens zu Hause war nun wieder alles im Lot. Aber ich traute
mich kaum mehr auf die Straße hinaus, denn ich hatte ständig
das Gefühl, dass die Leute über mich redeten. Ich ging
nur noch raus, wenn ich in die Kirche wollte. Und ich verbrachte
viel Zeit dort. Es konnte nicht Schaden Gott um Hilfe zu bitten,
aber sich auch für die schönen Dinge im Leben zu bedanken.
Schließlich hatte ich mich wieder mit Roland versöhnt.
An diesem Nachmittag erschien auch Gerda in der Kirche zum Rosenkranzgebet.
|
|
Nachdem das Gebet beendet war, sprach sie mich zögerlich
an. "Ähm, Oxana, mir sind da ein paar unschöne
Dinge über dich zu Ohren gekommen." Vor Scham wäre
ich fast in der Bank versunken. Es wussten tatsächlich alle
bescheid. Kasimir hatte ganze Arbeit geleistet. Gerda konnte spüren,
wie unangenehm mir die Situation wurde. "Ich wollte dir nur
sagen, dass ich das Gerede der anderen nicht glaube", fuhr
sie fort und ich schaute sie erstaunt an. "Du musst nicht
so überrascht tun, Oxana. Ich kenne dich nun, seitdem du
in diese Stadt gezogen bist und du hast immer den Eindruck eines
sehr anständigen Mädchens gemacht."
|
|
Über dieses unsägliche Thema wollte ich mich lieber
nicht in einem Gotteshaus unterhalten, also gingen wir hinaus
auf den Kirchenvorplatz. "Kasimir hat diese Gerüchte
in die Welt gesetzt", erklärte ich ihr. "Aber ich
bin auch selbst schuld. Wie konnte ich mich jemals auf ihn einlassen?
Und jetzt weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Die
Leute denken doch jetzt sonst was von mir."
|
|
"Da hast du leider Recht. Aber vielleicht kann ich dir helfen",
bot Gerda an. "Wir Farmerfrauen richten jedes Jahr ein Fest
für unsere Nachbarn aus. Und im Grunde bist du auch eine
von den Farmerfrauen. Zumindest ist dein Haus in den Grundbüchern
offiziell als "Grünspan Farm" eingetragen und das
heißt, du bist automatisch Mitglied im Farmerverein der
Sierra Simlone. Ich könnte bei unserer nächsten Sitzung
vorschlagen, das Fest dieses Jahr bei dir stattfinden zu lassen.
So hättest du die Gelegenheit, dich bei deinen Nachbarn von
der besten Seite zu zeigen." Ich war zunächst etwas
skeptisch. Dieser Schuss konnte auch nach hinten losgehen. Was
wenn alle die Feier bei "dem Flittchen" boykottieren
würden? Aber schließlich stimmte ich doch zu.
|
|
|
Gleich am Wochenende war es soweit. Gerda leistete ganze Überzeugungsarbeit
und der Verein der "Farmerfrauen der Sierra Simlone"
stimmte dem Vorschlag zu und stellte mir auch die nötigsten
Dinge zur Verfügung. Für Musik, Tische, eine Bar und
den Grill war also gesorgt. Und dem Anlass entsprechend zogen
Roland und ich uns passende Kleidung an. Wir wirkten damit tatsächlich
fast wie Jungfarmer.
|
|
Als die Sonne langsam hinter den Bergen zu verschwinden begann,
schmiss Roland den Grill an und brutzelte leckere Rippchen. Ich
hatte zunächst befürchtet, dass sich niemand auf der
Party blicken ließe, weil eben ich sie gab. Doch ich irrte
mich. Angelockt von dem Duft des gegrillten Fleisches oder durch
die Tatsache, dass die Sonne nicht mehr unerträglich auf
uns niederbrannte, zeigten sich die ersten Gäste.
|
|
Nachdem sie sich am Büfett bedient hatten, löschten
meine Gäste ihren Durst an der Bar. Wir hatten auf Gerdas
Rat hin einen Barkeeper kommen lassen und dieser stellte sich
auch als notwendig heraus, denn er musste ständig neue Bowle
ansetzen. Die Bewohner der Sierra Simlone waren dem Alkohol alles
andere als abgeneigt.
|
|
Und nach ein, zwei Gläsern ging es plötzlich richtig
rund. Die Leute stürmten förmlich auf die Tanzfläche
und tanzten ausgelassen zu der Country-Musik, die aus der Jukebox
kam. Und auch wenn diese Musik nicht unbedingt meinem Geschmack
entsprach, konnte ich mich der ausgelassenen Stimmung nicht entziehen.
Und ein Blick auf die Tanzfläche zeigte mir, dass mein Ansehen
weniger stark gelitten hatte, als ich befürchtete. Meine
Freunde, wie Manuela und mein früherer Arbeitskollege Maxim
waren gekommen und auch viele der ansässigen Farmer ließen
sich blicken.
|
|
|
|