|
"Vielleicht soll ich heute Nacht doch lieber hier bei dir
bleiben?", schlug Benjamin dann vor. "Ich fühle
mich irgendwie nicht wohl bei dem Gedanken, dass ein wildfremder
Mann bei dir im Haus schläft". Ich fand es wirklich
rührend, wie sehr er sich um mich sorgte, aber wenn ich es
recht bedachte, kannte ich ihn selbst ja nicht viel länger
als Roland. "Nein, Benny, du kannst beruhigt nach Hause gehen",
antwortete ich ihm schließlich. "Ich bin mir ganz sicher,
dass ich keine Angst zu haben brauche."
|
|
Benny schien zwar nicht ganz überzeugt, er ging dann aber
trotzdem, nachdem er mich noch einige Male aufgefordert hat, vorsichtig
zu sein. Als er weg war, legte ich mich auf das Sofa und versuchte
es mir bequem zu machen. Wenn es doch nur ein wenig länger
wäre. Aber irgendwann schlief ich dann trotzdem ein. Und
irgendwie fühlte ich mich in dieser Nacht viel sicherer in
meinem Haus mit der Tür, die wieder einmal sperrangelweit
offen stand.
|
|
I
Ich hatte zunächst Angst, dass das Zusammenleben mit einem
Mann, der vorher in einem Zelt mit drei weiteren Kerlen gelebt
hatte, problematisch werden könnte, doch Roland stellte sich
als sehr umgänglich heraus. Meine größte Sorge
war gewesen, dass er seinen Müll überall herumliegen
lies und die Klobrille nicht herunterklappt. Doch er verhielt
sich vorbildlich. Er putzte sogar, ohne dass man ihn dazu hätte
auffordern müssen. Und er war dabei fast genauso gründlich
wie ich.
|
|
Im Grunde überließ er mir meistens das Bett und schlief
selber auf der Couch. Das fand ich richtig süß von
ihm. Ich beobachtete ihn gerne, wenn er fest schlief. Er sah
dabei immer so hübsch aus. Wie ein kleiner Junge. Ich hätte
ihn manchmal stundenlang beobachten können.
|
|
Roland zeigte mir dann auch ein paar Örtlichkeiten in Sierra
Simlone Stadt. Es gab hier zwar nicht viel, aber immerhin so eine
Art Saloon. Man konnte dort auf alle Fälle gut den einen
oder anderen Cocktail genießen.
|
|
Und eine Tanzfläche gab es auch. Eine alte Jukebox und ein
an der Decke montierter Scheinwerfer sorgten für die nötige
Disco-Atmosphäre. Dabei musste ich feststellen, dass Roland
ein wirklich guter Tänzer war. Es machte Spaß mit ihm
abzutanzen, auch wenn wir die einzigen auf der Fläche waren.
|
|
Denn die meisten Gäste des Saloons hingen an der Bar oder
vertrieben sich ihre Zeit mit einer Runde Billard. Und das taten
Roland und ich dann auch. Nach einigen Stößen gesellte
sich noch ein Mann von der Theke zu uns. Er grüßte
mich, indem er an seinen Cowboy-Hut griff und mir zunickte. Dann
fragte er, ob er mitspielen könne. Und ich hätte verrückt
sein müssen, wenn ich diesen Typen nicht hätte mitspielen
lassen.
|
|
"Wer ist denn dieser verdammt gut aussehende Mann da?",
fragt ich Roland unauffällig. "Der da?!", antwortete
Roland ungläubig mit gedämpfter Stimme. "Das ist
Albert Kappe. Der Mann von Gerda, die kannst du doch schon. Ihm
gehört die Kappe-Farm hier in Sierra Simlone Stadt."
Albert also. Gerda hatte ein verdammtes Glück, so einen Kerl
abzukriegen. Ich hoffte inständig, dass mir auch mal so ein
Mann über den Weg lief.
|
|
Der Saloon bot mir aber auch die Möglichkeit noch ein paar
neue Leute kennen zu lernen. Die meisten waren genauso wie ich
erst kurz in der Sierra Simlone, aber einige, wie Hertha zum Beispiel,
haben schon ihr ganzes Leben hier verbracht. Als ich mich so mit
ihr unterhielt, bekam ich gar nicht mit, was sich hinter meinem
Rücken anbahnte. "Na, was machst du halbe Portion denn
hier im Saloon?", ging ein rothaariger Typ auf Roland los.
"So weit ich weiß haben Kinder hier keinen Zutritt."
Er amüsierte sich einfach köstlich über Rolands
Hilflosigkeit. Und es wurde auch nicht besser, als Marlene versuchte,
denn Streit zu schlichten. "Lass ihn in Ruhe, Kasimir, er
hat dir schließlich nichts getan."
|
|
Mir viel ein, dass ich noch ein paar Kleinigkeiten besorgen musste,
also ging ich rüber in den Laden und verpasste damit alle
folgenden Ereignisse.
"Jetzt muss du dich auch noch von einer Frau verteidigen
lassen, du Waschlappen", spöttelte Kasimir weiter und
fing an Roland mit seiner Faust zu schlagen. Die Schläge
waren zwar nicht stark, Roland wusste sich trotzdem nicht zu verteidigen.
"Jetzt reicht es aber Kasimir!", ging Marlene erneut
dazwischen und zog ihn von Roland weg. "Ich hab gesagt, du
sollst dich nicht einmischen, Flittchen!", schrie Kasimir
sie an und verpasste ihr Eine. Allerdings war Marlene keine Frau,
die sich so etwas gefallen ließ. Stattdessen schlug sie
einfach zurück.
|
|
Roland stand einfach nur hilflos daneben und die anderen Gäste
versuchten, Kasimir zum Aufhören zu bewegen. Erst als die
Barkeeperin mit der Polizei drohte, ließ Kasimir von Marlene
ab und sie blieb geschlagen auf dem Boden sitzen. "Und
so etwas nennt sich Mann!", spuckte Kasimir verächtlich
in Rolands Richtung und ging überheblich aus dem Saloon.
Die anderen halfen Marlene wieder auf die Beine. Sie hatte zwar
den ein oder anderen blauen Fleck, aber sonst ging es ihr gut.
|
|
Als ich wieder in den Saloon kam, war Roland schon weg. Also fuhr
auch ich wieder nach Hause. Dort fand ich ihn dann auf dem Boden
hockend vor, wie er etwas in sein Tagebuch schrieb. Denn Rest
des Tages, war er betrübt und nicht sehr gesprächig.
Ich sprach ihn zwar darauf an, doch er wollte einfach nicht mit
mir darüber reden.
|
|
Doch in den darauf folgenden Tagen war er wieder ganz der Alte.
Jeder hat mal das Recht, schlecht drauf zu sein. Ich mochte Roland
wirklich gerne und ihm schien es genauso zu gehen, denn er überhäufte
mich förmlich mit Komplimenten. Ich war echt froh, dass er
bei mir eingezogen war und dass ich einen so guten Freund in ihm
gefunden hatte.
|
|
Mit Gerda hatte ich mich in der Zwischenzeit auch recht gut angefreundet.
Sie zeigte sich sehr beeindruckt über meinen Fernseher. Das
überraschte mich etwas, schließlich war dieser Fernseher
nichts Besonderes. Ein einfaches Modell, das schon etliche Jahre
auf dem Buckel hatte.
|
|
Des Weiteren hatte ich mich enger mit Manuela angefreundet . Ich
hoffte mit Gerda und ihr einen netten Abend verbringen zu könnte,
doch irgendwie verlief der Abend dann anders als geplant. Als
ich in der Küche war um eine Kleinigkeit zu Essen vorzubereiten,
hörte ich plötzlich, wie die beiden anfingen zu streiten.
Ich konnte nur ein paar Wortfetzen wie "...Flittchen...",
"...Finger von meinem Mann..." und "...eifersüchtige
Kuh..." hören. Als ich dann zurück ins Wohnzimmer
kam, verabschiedete Manuela sich hastig und ging. Mit den beiden
zusammen sollte ich keinen Frauenabend mehr planen.
|
|
Als dann auch Gerda gegangen war legte ich mich ins Bett um zu
schlafen. Doch daraus wurde leider nichts, denn plötzlich
wurde ich von lauten Lachen und dem Geräusch von springenden
Metallfedern geweckt. Als ich mich aufrichtete und mich wütend
über den Lärm beschweren wollte sah ich Roland, der
vergnügt auf dem Sofa rumhüpfte. Also wirklich! In jedem
Mann steckt ein Kind, egal wie alt er war.
|
|
Aber auch in mir steckte ein Kind. Ich war immerhin erst 19, also
immer noch ein Teen. Und Roland war doch auch nur einige Jahre
älter. Und so sprang ich gekonnt über die Rückenlehne
des Sofas und begann mit Roland auf und ab zu hüpfen. Das
hatte ich schon ewig nicht mehr gemacht aber es machte einfach
einen heiden Spaß.
|
|
An Schlaf war jetzt überhaupt nicht mehr zu denken. Dazu
waren wir beide viel zu aufgedreht. Also schnappten wir uns das
Radio und stellten es nach draußen um zu tanzen. Im Haus
war es dafür viel zu stickig und selbst draußen war
es immer noch warm. Roland zog seinen verschwitzten Arbeitsanzug
aus und dann tanzten wir wild umher. Er in Unterwäsche, ich
im Pyjama. Es hat schon seine Vorteile, wenn man keine Nachbarn
in direkter Nähe hat.
|
|
Noch ein paar Tage später traf dann auch der Fall ein, für
den ich mir eigentlich einen Mann ins Haus geholt hatte. Die Dusche
war mal wieder kaputt und überflutete die halbe Wohnung.
Roland machte sich auch gleich an die Arbeit. Seine Reparaturmethode
war zwar gewöhnungsbedürftig, aber es schien doch etwas
zu bringen laut zu fluchen und mit dem Schraubenschlüssel
um sich zu schlagen. Auf alle Fälle war die Dusche repariert
und Roland beseitigte anschließend sogar das entstandene
Chaos.
|
|
|