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Als mein Magen knurrte, wurde mir bewusst, dass ich seit dem Aufstehen
nichts gegessen hatte und mein Kühlschrank war nach dem gestrigen
Besuch auch leer. Also machte ich mich auf den Weg um die Stadt
etwas genauer zu erkunden und möglicherweise auch einen Laden
zu finden. Nach einem kurzen Fußmarsch traf ich dann im
Ortskern von Siera Simlone Stadt ein. Im Grunde bestand der Ortskern
nur aus vier Gebäuden, die aber alle durchaus belebt schienen.
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Und ich fand auch einen Laden, in dem man Lebensmittel einkaufen
konnte. Es war nichts Großartiges und die Preise kamen mir
doch arg überteuert vor. Aber so ist das nun mal. Die Nachfrage
bestimmt die Preise und dieser Laden war der einzige im Umkreis
von 100 Kilometern. Ich packte alles was mir nötig erschien
und bezahlte an der Kasse.
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Dann fiel mein Blick auf ein Brett mit vielen bunten Zetteln.
Der Junge an der Kasse bemerkte meinen Blick und erklärte
mir, was es damit auf sich hatte: "Das ist unser Infobrett
für Sierra Simlone Stadt. Alle wichtigen Neuigkeiten werden
dort ausgehängt. Meistens ist es aktueller, als die Stadtzeitung,
die nur einmal die Woche erscheint. Also wenn sie ein Job suchen
oder ihren Gartentisch verkaufen möchten, dann ist das der
richtige Ort um fündig zu werden."
Ich ging rüber und sah mir alle Zettel an. Da waren tatsächlich
ein paar Jobangebote, von denen ich mir die Nummern notierte.
Und noch etwas stach mir ins Auge. Es gab sehr viele Gesuche für
eine Unterkunft. Hauptsächlich junge Männer suchten
eine Bleibe hier in Sierra Simlone Stadt. Und da ich schon dabei
war, schrieb ich mir auch einige dieser Nummern auf.
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Am nächsten Morgen fand ich in meinem Briefkasten dann auch
die Zeitung, von der der Junge im Laden gesprochen hat. Auch hier
gab es ein paar Jobangebote, doch das meiste bezog sich auf Hilfskräfte
für eine der umliegenden Farmen oder für Arbeiter an
den Ölfördertürmen. Beides war nicht so mein Fall,
um ehrlich zu sein. Ich konnte mir weder vorstellen, irgendwelche
Ställe auszumisten oder Rinder zu hüten, noch glaubte
ich, dass eine kleine, schwache Frau sehr hilfreich bei der Ölförderung
wäre. Wenigstens war das Kreuzworträtsel anspruchsvoll.
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Deshalb rief ich eine der Nummern vom Infobrett im Laden an. Zwei
der Jobs waren schon vergeben, aber beim Dritten hatte ich Glück.
Die Stelle als Proband bei einem Forschungsinstitut unweit der
Stadt war noch frei und man bot mir die Stelle auch sogleich an.
Man schickte mir sogar eine Fahrgemeinschaft vorbei. Das war auch
ganz gut so, denn ich hätte nicht gewusst, wie ich sonst
zur Arbeit gekommen wäre.
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Der erste Arbeitstag war dann zwar nicht so erfolgreich und ich
musste gleich eine Kaffeemaschine ersetzen, aber meine Kollegen
waren alle ganz nett und die Bezahlung war auch in Ordnung. Ich
hatte etwas Geld von meinem Paps, das er mir gegeben hatte, als
Dad mich aus dem Haus schmiss, aber dieses Geld wollte ich nicht.
Zumindest solange nicht, wie ich auf andere Weise an Geld kommen
konnte.
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Ich freute mich auf einen ruhigen Abend nach meinem ersten Arbeitstag,
doch daraus wurde nichts. Als ich nichts ahnend die Toilettenspülung
betätigte, musste ich mit Schrecken feststellen, dass das
Wasser stieg und stieg und stieg und gar nicht mehr aufhören
wollte. Ich konnte sehen wie es dem Rand immer näher kam
und bettete, dass der Spülkasten endlich leer wäre und
kein neues Wasser mehr nachkäme. Doch meine Gebete wurden
nicht erhört und eine übelriechende Brühe breitete
sich auf meinen gestern erst geputzten Fliesen aus. Durch Zufall
fand ich einen Pümpel unter der Spüle in der Küche
und machte mich daran, zunächst die Verstopfung zu lösen.
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Irgendwann gelang es mir dann auch, allerdings habe ich zuvor
mindestens eine Stunde mit diesem Gummiding in der Toilette rumgestochert.
Und dann musste ich auch noch das Brackwasser vom Boden aufwischen.
Danach war erst einmal eine Dusche fällig. Als das erfrischende
Wasser auf mich niederprasselte, fielen mir die Wohnungsgesuche
wieder ein. Erst habe ich nicht viel davon gehalten, einen Mann
bei mir einziehen zu lassen, aber so hätte ich wenigstens
jemanden, der das nächste mal die Toilette für mich
reparieren konnte, denn ein zweites Mal hatte ich wirklich keine
Lust dazu.
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Also rief ich einfach die erste Nummer an, die ich aufgeschrieben
hatte. Am nächsten Morgen stand dann ein junger Mann im Ölverschmierten
Overall vor mir. Er stellte sich als Roland vor und schon während
der Begrüßung starte er mich mit weit aufgerissenen
Augen an und danach fing er an, zusammenhangloses Zeug zu brabbeln.
"Was für eine Typen hab ich mir den da angelacht?",
dachte ich im Stillen, doch plötzlich wurde mir der Grund
für seine Verunsicherung bewusst.
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Ich stand lediglich in meinem doch recht knappen Schlafhemdchen
vor ihm, dass zu allem Überfluss auch noch leicht durchsichtig
war. Mein Kopf lief knallrot an und ich wies ihm beschämt
den Weg ins Haus. Er war dann auch ganz froh, dass er hinein konnte,
während ich am liebsten im Boden versunken wäre. Dann
musste ich aber doch lächeln. Es war schon ganz schön
süß zu beobachten, wie er nervös geworden war.
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Ich zog mir dann aber doch lieber etwas weniger aufreizendes an,
schließlich wollte ich meinem potenziellen Mitbewohner keine
falsche Vorstellung von mir geben. "Wie du ja selbst sehen
kannst, ist das Haus recht eng", erklärte ich ihm beim
Essen, dass ich schnell zubereitet hatte. Roland langte aber auch
kräftig zu. Es kam mir vor, als hätte er seit Tagen
nichts Vernünftiges gegessen.
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"Das ist nicht so schlimm", meinte er schmatzend. "Bis
jetzt schlafe ich mit ein paar Kumpels draußen bei den Ölfeldern
in einem Zelt. Ist nicht sehr bequem, da bin ich froh über
jede Bleibe, die ich kriegen kann." "Du schläfst
einfach im Freien?", fragte ich ungläubig und er nickte.
"Schon seit fast zwei Monaten. Die Ölgesellschaft hat
mich angeworben und mir auch eine Bleibe versprochen. Aber Pustekuchen.
Bis jetzt sieht man davon nur die Fundamente, die langsam im Wüstensand
verschwinden. Also versuche ich jetzt selbst was zu finden."
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Das war ja wirklich unglaublich. Da konnte ich ja froh sein, dass
ich sofort dieses Häuschen bekommen hatte. Trotzdem wollte
ich Roland noch ein wenig näher kennen lernen, bevor ich
ihn bei mir wohnen ließ. Und da im Fernsehen gerade nur
Müll lief und draußen die Sonne erbarmungslos auf uns
nieder brannte, weihten wir die Dartscheibe an meiner Wand ein.
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Durch die offene Tür, die ich zwecks fehlender Klimaanlage
immer offen stehen ließ, konnte ich Benjamin erkennen, der
sich meinem Haus nährt. Ich lief hinaus und begrüßte
ihn mit einer Umarmung und dann lud ich ihn zu mir ein. Ich wollte
auch seine Meinung zu Roland hören.
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Doch irgendwie nahm Benjamin Roland überhaupt nicht wahr.
Stattdessen erzählte er mir von seinen Erlebnissen der letzten
Tage oder einen neuen Witz, den er aufgeschnappt hatte. Es war
ja nicht so, dass mich das nicht interessieren würde. Ganz
im Gegenteil, ich hörte Benjamin gerne zu, doch irgendwie
hatte ich dabei das Gefühl, dass Roland sich ein wenig fehl
am Platz fühlte.
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Auch als ich in die Küche ging, um ein Abendessen vorzubereiten,
redeten die beiden Jungs kaum ein Wort miteinander. Sollte ich
das als Zeichen werten, dass Benjamin Roland mochte? Immerhin
stritten sie sich nicht. Beim Essen verhielt Roland sich dann
auch ganz ruhig, doch den Grund dafür bemerkte ich erst,
als er mit seinem Gesicht in die Spaghetti fiel und in dieser
Position einfach weiterschlief.
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Benjamin und ich konnten uns nur erstaunt beobachten. Erst dachte
ich, Roland wolle einfach nur einen Spaß machen, aber nein,
er schlief tatsächlich tief und fest. Erst als Benjamin in
kräftig schüttelte, wurde er langsam wach. "Was?",
murmelte er mit verschlafenem Blick bis ihm endlich bewusst wurde,
wo er sich befand und was gerade passiert war. Sein Gesicht lief
rot an, er verabschiedete sich hastig und wollte so schnell wie
möglich raus zur Tür. Doch ich lief im hinterher. "Roland,
warte!", sagte ich zu ihm. "Das gerade braucht dir nicht
peinlich zu sein. Obwohl...eigentlich schon ein bisschen, wenn
ich so überlege". Ein breites Grinsen konnte ich mir
dann doch nicht verkneifen. Doch als ich sah, dass Rolands Unbehagen
sich immer weiter verschlimmerte, kam ich endlich zum Punkt. "Wenn
du willst, kannst du bei mir einziehen. Am besten sofort, dann
kannst du dich auch gleich vernünftig ausschlafen."
Roland schien überglücklich und drückte mich überschwänglich
an sich. "Danke, Oxana, vielen Dank".
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Ich zeigte ihm nur noch schnell das Bad, damit er sich die restliche
Tomatensoße aus dem Gesicht wischen konnte und dann zeigte
ich ihm das Bett. "Leg dich einfach hin und schlaf. Ich bin
eh noch nicht müde." Das brauchte ich ihm nicht zweimal
zu sagen. Mein neuer Mitbewohner schlüpfte sofort unter die
Decke.
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Ich hatte Angst, dass Benjamin und ich ihn vielleicht stören
könnten, doch darüber brauchte ich mir keine Sorgen
zu machen. Roland schlief sofort ein und ich glaube, nicht einmal
eine Öltankexplosion hätte ihn aus dem Schlaf gerissen.
"Was hältst du von ihm?", fragte ich Benjamin.
Doch er drückte sich um eine direkte Antwort herum. Irgendwie
verstand ich nicht, was er hatte. Roland war doch wirklich nett,
oder etwa nicht?
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